4,7 Millionen Kubikmeter Wasser geben die Stadtwerke Schweinfurt pro Jahr ab. Damit sind sie für die Trinkwasserversorgung im Stadtgebiet sowie in den Gemeinden Niederwerrn und Dittelbrunn zuständig. Zusammengerechnet leben dort fast 70 000 Menschen. Hinzu kommt der Wasserbedarf der Schweinfurter Industrie. 128 Liter verbraucht jeder Deutsche laut statistischem Bundesamt pro Tag.
Logisch, dass für die Herstellung und Verteilung des Wassers auch eine Menge Strom erforderlich ist. Schließlich müssen Pumpen, Brunnen und Wasserwerke betrieben werden, bis das Wasser tatsächlich in die häusliche Badewanne plätschert. Doch was würde eigentlich passieren, wenn das Stromnetz plötzlich ausfällt?
Was haben die Stadtwerke Schweinfurt vor?
Genau mit diesem Szenario haben sich die Stadtwerke Schweinfurt beschäftigt und mit einer innovativen Idee den bundesweiten Stadtwerke-Award 2021 gewonnen. Besser gesagt, mit dem Projekt einer "umweltfreundlichen und autarken Wasserversorgung der fränkischen Trockenplatte". Noch ist es nur ein Konzept, baldmöglichst aber, betont Geschäftsführer Thomas Kästner, soll es in die Tat umgesetzt werden. Im Gespräch mit der Redaktion erklärt er, was die Stadtwerke vorhaben, welche Auswirkungen die "neue" Wasserversorgung für die Menschen haben könnte und warum der Ansatz einzigartig ist.

Was steckt hinter der Idee einer "klimaneutralen Wasserversorgung"?
"Die Idee ist uns in der Krise gekommen", sagt Kästner. Über das vorgelagerte Stromnetz bezieht Schweinfurt bislang einen Großteil seines Stroms, der auch für die Wassererzeugung benötigt wird. "Es geht insbesondere um Pumpstrom, also für das Pumpen von den Brunnen ins Wasserwerk und vom Wasserwerk dann in die Hochbehälter", sagt Kästner über den Transport des Schweinfurter Wassers, welches überwiegend als Uferfiltrat aus dem Main gewonnen wird.
Doch was, wenn plötzlich mal der Strom ausbleibt? Für diesen Fall haben die Stadtwerke einen Netzausfall simuliert. Das Ergebnis war beruhigend: "Die Versorgungssicherheit war zu keiner Sekunde gefährdet", erklärt der Geschäftsführer. Denn eine Notstromversorgung im Wasserwerk, etwa durch Notstromaggregate, habe man ohnehin eingebaut.
"Dabei haben wir uns immer an den Ecken des energiepolitischen Zieldreiecks orientiert."
Thomas Kästner, Geschäftsführer der Stadtwerke Schweinfurt
Trotzdem hat man darüber nachgedacht, wie die Versorgungssicherheit weiter erhöht werden und was man anders machen könnte als bisher. "Dabei haben wir uns immer an den Ecken des energiepolitischen Zieldreiecks orientiert", sagt Kästner. Heißt: Die Versorgung muss ökologisch, sicher und wirtschaftlich sein. Laut Kästner gibt es hierfür eine "charmante Lösung": Ein Eigenstrommodell. "Wir machen unseren Strom einfach selber." So wolle man eine Art Autarkie herstellen, die Wasserversorgung also unabhängig vom allgemeinen Stromnetz sichern. Laut Jury des Stadtwerke-Awards sei dieses ganzheitliche Konzept "100 Prozent krisensicher" und damit einzigartig.
Wie soll das Eigenstrommodell funktionieren?
Grundsätzlich mithilfe erneuerbarer Energie. Konkret wolle man dazu Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen errichten. Laut Kästner benötigt man eine Fläche von zwei bis drei Hektar. "Und mit dem Strom, der dort produziert wird, können wir die Pumpen antreiben." Wo genau die Anlage errichtet werden soll, ist noch unklar. Über genügend Fläche verfügen die Stadtwerke in den Wasserschutzgebieten in und um Schweinfurt. Diese reichen bis Mainberg, sagt Kästner, "da sieht man dann diese kleinen Hügel, das sind unsere Brunnen, das ist unser Wasserfassungsgebiet".
Wo kommt der Strom her, wenn die Sonne nicht scheint?
Ein Glas Wasser aus der Leitung trinken, duschen oder abspülen: All das sollte in jedem Haushalt zu jeder Tages- und Nachtzeit möglich sein. Und natürlich, betont Kästner, scheint die Sonne auf die Photovoltaikanlage nicht zu jeder Zeit. Deshalb sieht das Konzept einen Stromspeicher vor, der zusätzlich in das Wasserwerk eingebaut werden soll. Zudem sollen die sogenannten Hochspeicher – dort wird das Wasser "hochgepumpt" – als Energiespeicher genutzt werden, sodass jederzeit genügend Strom zur Verfügung stehen wird.

Um das Wassersystem zu steuern und um es effizienter zu machen, planen die Stadtwerke zusätzlich den Einsatz einer künstlichen Intelligenz. "Sie weiß dann genau, wie viel Wasser wann verbraucht wird, wie hoch der Füllstand der Hochbehälter sein muss, wie die Wetterprognose insbesondere der Besonnung ist", sagt Kästner. So könne das System "völlig autark" funktionieren.
Welche Vorteile hat das geplante Eigenstrommodell?
"Wir sparen uns hohe Kosten", sagt Kästner. Das Projekt, wofür man einen deutlich zweistelligen Millionenbetrag aufbringen muss, werde "relativ schnell" wirtschaftlich. "Und damit haben wir alles abgebildet: Ökologisch, wirtschaftlich, sichert die Versorgung."

Warum machen sich die Stadtwerke Gedanken über die Region Mainfranken?
Mainfranken gilt als sehr trockene Region. "Wir leben geologisch gesehen auf der Unterfränkischen Trockenplatte", erklärt Kästner. Umgeben von Spessart, Steigerwald und Rhön sei die Regenintensität hier "sehr sehr gering". Das, was abregnet, fließe in den Boden, welcher in der Regel durch Kalkstein sehr durchlässig ist. Durch dieses "Wegfließen" sei die Wassersituation hierzulande angespannter als etwa im Süden Bayerns. "Auch das ist eine Überlegung, warum wir gesagt haben, wir müssen die Wasserversorgung zusätzlich sichern", betont Kästner.

Da die Situation in Schweinfurt im mainfränkischen Vergleich jedoch noch "gut bis sehr gut" sei und man wegen der ansässigen Industrie ausreichend vorsorgen muss, verfüge man über gewisse Überkapazitäten.

Deshalb wollen die Stadtwerke Schweinfurt einen Teil des Wassers an andere Gebiete abgeben. So befinde sich derzeit eine rund 26 Kilometer lange Trinkwasserverbundleitung im Bau, die von Schweinfurt am Main entlang über Haßfurt, Knetzgau bis in den Steigerwald verlaufe. Dort habe man mit den Wassererzeugern entsprechende Verträge geschlossen. Dieses Projekt soll dieses Jahr abgeschlossen werden. "Die Region hilft sich selber, die Schwierigkeiten der Wasserversorgung zu überwinden", sagt Kästner. Und: Die Leitung soll künftig ebenfalls über die autarke Stromversorgung abgedeckt werden.
Wann kann die "neue" Wasserversorgung in Betrieb gehen?
Die Stadtwerke Schweinfurt wollen baldmöglichst mit der Umsetzung des preisgekrönten Konzeptes beginnen. Allerdings, sagt Thomas Kästner, wird das Projekt noch längere Zeit in Anspruch nehmen. "Wir haben alles berechnet, uns genau überlegt, wo was stehen könnte, wie groß die Leistung der Anlage sein muss, wie die Steuerungssystematik aussieht, wie die Pumpen funktionieren können." Das Konzept stehe, "wir könnten den Knopf drücken", sagt Kästner. Wenn es losgeht, könne man mit einer Bauzeit von etwa einem Jahr rechnen. Aber soweit ist es noch nicht.
"Und damit haben wir alles abgebildet: Ökologisch, wirtschaftlich, sichert die Versorgung."
Thomas Kästner, Geschäftsführer der Stadtwerke Schweinfurt
Denn die Umsetzung muss noch bürokratische Hürden überwinden. Da ist zum einen das Genehmigungsverfahren. So würde die Photovoltaik-Anlage nicht auf einer Vorrangfläche errichtet. "Das heißt, man benötigt dafür eine Baugenehmigung der zuständigen Gemeinde." Hier müsste der jeweilige Gemeinderat entscheiden. Welche Gemeinden als Standort für die Anlage in Frage kommen, will Kästner noch nicht bekanntgeben, um den Gremien nicht vorzugreifen.
Zudem würden Ausschreibungen viel Zeit kosten. Sollte alles jedoch etwas schneller gehen, "dann könnte man das Projekt im nächsten Jahr sehr sehr weit bringen", hofft Kästner.
Wird sich für Kunden etwas verändern?
"Nein", sagt der Geschäftsführer der Stadtwerke. Als Verbraucher werde man keine Veränderung wahrnehmen. Die Umstellung vom Stromnetz auf die Autarkie werde unbemerkt ablaufen. "Durch das Eigenstrommodell haben wir zudem die Möglichkeit,
, ein Stück weit zu verlangsamen." Zwar müsse auch die Eigenstromanlage gewartet werden, letztlich entfalle aber der teure Drittstrombezug.Übrigens: Sollte die Eigenstromanlage in Zukunft mal beschädigt werden, könnten verschiedene Notstrommöglichkeiten greifen. "Von daher muss man in keiner Weise fürchten, schlechter oder teurer versorgt zu werden. Das ist eine Win-Win-Win-Situation", betont Kästner, der sich nicht erklären kann, warum in Deutschland noch kein anderer Versorger auf die gleiche Idee gekommen ist.