Die Nacht vom 23. auf den 24. Februar 2022 veränderte schlagartig vor allem das Leben der Menschen in der Ukraine – aber nicht nur dort. Die Folgen der völkerrechtswidrigen Aggression Putins gegen das Nachbarland Russlands strahlten schnell auch in die Region Würzburg aus. Schon am 24. Februar war klar: Was sich in Europas Osten abspielt, geht auch die Menschen in der Region Würzburg an.
In Stadt und Landkreis Würzburg gab es in den Tagen nach Kriegsbeginn spontane Demonstrationen gegen die russische Aggression. Und es blieb nicht bei Solidaritätsbekundungen. Bevölkerung, Kommunen, Vereine und Unternehmen initiierten Hilfsaktionen, in Würzburg gründete sich mit "Mrija" (Traum) ein eigener Verein zur Unterstützung von Menschen, die aus der Ukraine hierher flüchteten, aber auch jenen, die dort blieben. Rückblick auf ein Jahr ohne Beispiel:
1. Über 600 Menschen protestieren in Würzburg gegen den Ukraine-Krieg

Der Krieg in der Ukraine bewegt die Menschen in der Region Würzburg: Zwei Tage nach Kriegsbeginn versammeln sich unter dem Motto "Stand with Ukraine" mehr als 600 Menschen auf dem Platz rund um den Kiliansbrunnen vor dem Würzburger Hauptbahnhof, um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine scharf zu verurteilen und strengere Sanktionen zu fordern. Zu der Veranstaltung aufgerufen hatte zunächst die Grüne Jugend, danach schlossen sich andere Parteien und Organisationen an.
2. Stadt und Landkreis Würzburg bereiten die Aufnahme von Geflüchteten vor

Solidarität mit der Ukraine: Wenige Tage nach Kriegsbeginn treffen Stadt und Landkreis Würzburg Vorbereitungen für die Aufnahme von Menschen, die vor der russischen Aggression in der Ukraine fliehen. "Es bedarf jetzt einer breiten Unterstützung, um die absehbare humanitäre Katastrophe abzuwenden. Die Stadt Würzburg bereitet sich auf den Fall vor, Flüchtlinge aufzunehmen, die aufgrund von Krieg und Vertreibung aus der Ukraine fliehen, denn die unmittelbaren Nachbarn werden dies alleine nicht können", so Oberbürgermeister Christian Schuchardt. Landrat Thomas Eberth gründet einen Tag nach Kriegsbeginn eine an seiner Behörde angesiedelte Lenkungsgruppe, die eine Aufnahme von Geflüchteten koordinieren soll.
3. Im Eiltempo gegründeter Verein "Mirija" in Würzburg will Menschen aus der Ukraine helfen

Nur wenige Tage nach Beginn des Krieges entsteht in Würzburg der Verein "Mrija", der Menschen aus der Ukraine helfen will. "Mirija" heißt Traum - der Traum von der freien Ukraine. Initiatorin ist Karina Dreshpan aus Kiew, die zu Kriegsbeginn bereits seit vier Jahren in Würzburg lebt und studiert. Zusammen mit Mitstreiterin Nastja Schmid und zunächst acht weiteren Personen hebt sie den Verein im Eiltempo aus der Taufe. In sieben Themenfeldern will Mirija aktiv sein: Medizin, Logistik, Geflüchtete, Finanzen, Rechtsfragen, Zwischenmenschliches, Öffentlichkeitsarbeit. Ziel des Vereins ist es, Menschen in der Ukraine beizustehen sowie denen, die vor dem Krieg flüchten und in Würzburg ankommen.
4. Geflüchtete kommen in der Region an: Feuerwehr richtet Notunterkunft in Ochsenfurt ein

Anfang März werden alle Landkreise und kreisfreien Städte von der Regierung von Unterfranken aufgefordert, Notunterkünfte für geflüchtete Menschen aus der Ukraine bereitzustellen. Vor allem Frauen mit kleinen Kindern befinden sich auf der Flucht, da Männer zwischen 18 und 60 Jahren die Ukraine nicht verlassen dürfen. Landrat Thomas Eberth gibt als Leiter der Koordinierungsgruppe Ukraine den Auftrag an die Hilfsorganisationen weiter, Notunterkünfte vorzubereiten. Im Landkreis Würzburg sind vier vorgesehen: in Leinach, Veitshöchheim, Röttingen und Ochsenfurt. In Würzburg rechnet man jederzeit mit dem Eintreffen eines Zugs mit ukrainischen Flüchtlingen; die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung ist groß.
5. "Putinversteher": Der Ukraine-Krieg spaltet die Würzburger Linke

Der Ukraine-Krieg treibt einen tiefen Spalt durch die Würzburger Linke. In den sozialen Netzwerken werden Anfang März Anschuldigungen ausgetauscht, es ist von "Putinverstehern" und "irren" Positionen die Rede. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete Simone Barrientos zeigt von Anfang an klare Kante gegen die russische Aggression und bringt auf Facebook einen Parteiaustritt ins Gespräch, den sie Mitte März auch umsetzt. Wigbert Baumann, prominentes Mitglied der Würzburger Linken, hat diesen Schritt bereits am 25. Februar getan: "Ich bin aus der Partei ausgetreten. Zu viele Putinversteher", so Baumann auf Facebook. Unter anderem wird Sebastian Roth, bis September 2022 Linken-Fraktionschef im Würzburger Stadtrat, für seine Äußerungen über Putin stark kritisiert.
6. Wie Russen seit Kriegsbeginn in Deutschland angefeindet werden: Eine Studentin erzählt.

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs erleben Russinnen und Russen auch in Deutschland Anfeindungen. Davon erzählt Anfang März 2022 eine 20-jährige russischstämmige Studentin aus Würzburg: "Putin steht nicht für alle Russen", sagt sie.
7. Emotionaler Auftritt der Klitschko-Brüder in Sitzung des Würzburger Stadtrats

Große Überraschung: Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko und sein Bruder Wladimir berichten am 10. März 2022 eine Viertelstunde live im Würzburger Stadtrat über den Krieg in der Ukraine. Sie sind auf Einladung von Oberbürgermeister Christian Schuchardt zugeschaltet, das Ganze ist über private Kontakte entstanden. Die Klitschko-Brüder fordern zur Solidarität mit ihrem Land auf und danken für die bereits geleistete Unterstützung. Der Stadtrat beschließt einstimmig, dass die Stadt Würzburg bis zu einer Million Euro für die Ukraine-Hilfe zur Verfügung stellt.
8. Alexej Sazonov schafft es, trotz Glasknochenkrankheit aus Charkiw zu fliehen

Es ist die Geschichte einer ganz besonderen Flucht: Alexej Sazonov aus Charkiw sitzt im Rollstuhl, er hat die seltene Glasknochenkrankheit, seine Knochen können bei den kleinsten Stößen brechen. Die erste Kriegswoche harren Alexej Sazonov und seine Mutter Liudmyla Sazonova in ihrer Wohnung in Charkiw aus, doch dann machen sie sich auf die Flucht, die für Sazanov nicht zuletzt wegen seiner Erkrankung tödlich sein kann. Über Warschau und Berlin führt die beiden ihr Weg nach Leinach, wo sie in einer Saisonarbeiter-Wohnung unterkommen.
9. Russisches Kriegssymbol an Kirchentür der Würzburger Gethsemanekirche

In der Nacht auf Sonntag, 27. März 2022, wird auf die Mauern der Gethsemanekirche am Würzburger Heuchelhof fünfmal ein "Z", das Kennzeichen der russischen Streitkräfte im Ukraine-Krieg, geschmiert. Daraufhin finden sich am Sonntagabend spontan 350 Menschen vor der Kirche zusammen, um für den Frieden zu beten – gerade am Heuchelhof, der in den 1970-er Jahren entstanden ist und zunächst von Spätaussiedlern auch aus der Sowjetunion geprägt war, ein wichtiges Zeichen für Frieden und gegen den Krieg.
10. 170 Autos fahren im Konvoi mit Russlandflaggen durch Würzburg

Am 27. März 2022 sorgt ein Autokorso in Würzburg für Aufsehen. Rund 170 Fahrzeuge fahren nach Angaben der Polizei hupend und mit Russlandflaggen durch die Stadt. Der Korso war laut Stadt Würzburg mit dem Titel "Demo gegen Diskriminierung gegen Russlanddeutsche" angemeldet worden. Dass in Würzburg ein Autokorso stattfindet, hatte sich in den sozialen Medien und im Internet verbreitet, in der Folge wird der Konvoi wesentlich größer, als geplant: Es beteiligen sich 170 Autos – statt wie angemeldet 35.
11. In Würzburg gestrandet: Drei ukrainische Frauen und die Flucht aus ihrer Heimat

Sie sind aus verschiedenen Gründen vor dem Krieg in ihrer Heimat geflüchtet – und in Würzburg gestrandet. Im Gespräch mit dieser Redaktion erzählen die Ukrainerinnen Kateryna Petrash, Julia Kaurova und Olga Brazhnik im April 2022 ihre Geschichte. Olga Brazhnik und ihre Cousine Julia Kaurova sind mit ihren Kindern geflüchtet, Kateryna Petrashs 18-jähriger Sohn darf die Ukraine nicht verlassen. Durch den Kontakt von Brazhniks Mutter zur Würzburgerin Gabriele Nelkenstock, auch Vorsitzende des Vereins "Hilfe im Kampf gegen den Krebs e.V.", können den Frauen und Kindern zwei Wohnungen zur Verfügung gestellt werden.
12. Wie der Krieg in der Ukraine den Würzburger Heuchelhof verändert

"Vorher waren hier alle Heuchelhöfer": Ukrainer und Russen wohnen am Würzburger Heuchelhof Tür an Tür. Doch der Krieg hat viel verändert, und viele Anwohner verstummen lassen. Während in den ersten Kriegstagen die Gemüter hochkochten – mit einem Autokorso, prorussischen Schmierereien an der Gethsemanekirche und einem nicht abreißenden Gerüchtestrom –, herrscht nach über 100 Tagen Krieg Ruhe am Heuchelhof. Dass diese Ruhe keine der guten Art ist, zeigt ein Spaziergang unserer Redakteurin durch den Stadtteil.
13. Erst Krieg, dann Krebs: Das traurige Schicksal der Ukrainerin Kateryna Petrash

Einige Wochen lang hatte diese Redaktion das Leben der geflüchteten Ukrainerin Kateryna Petrash in Würzburg begleitet. Es waren nicht allein Krieg und Flucht, was die aus Kiew stammende 38-Jährige verarbeiten musste, sie war zudem schwer krank und hatte Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium. Am 30. Juni verliert sie im Würzburger Juliusspital ihren Kampf gegen den Krebs.
14. Einsatz in der Ukraine: Würzburger Ärztin hilft für Cap Anamur in Novoselytsia

Viele Jahre leitete Bärbel Krumme, Würzburger Ärztin im Ruhestand, am Missionsärztlichen Institut die Arbeitsgruppe "Not und Katastrophenhilfe" und arbeitete immer wieder in verschiedenen Hilfsprojekten in Krisenregionen mit. Die 79-Jährige hatte im Winter 2022 die Hilfsorganisation Cap Anamur/ Deutsche Notärzte e.V. gebeten, auf eigene Kosten deren Arbeit zu begleiten. Krumme arbeitet im Ökumenischen Asylkreis im Würzburger Frauenland mit und wollte die dort gesammelten Spendengelder im Land selbst ausgeben, "um mitzuhelfen, dass die Menschen dort gut über den Winter kommen".
15. Fühlen sich ukrainische Familien in Würzburg angekommen?

Unter dem Titel "Ankommen in Würzburg" initiiert im Januar 2023 die Ukrainerin Nataliia Lazebna, die am ersten Kriegstag mit ihrer Familie nach Deutschland geflohen ist, eine Veranstaltung für ukrainische Familien. "Wir wollen soziale Probleme der Geflüchteten ansprechen und ukrainischen Künstlerinnen den Raum geben, ihre Kunst zu präsentieren", so Lazebna. Bei der Veranstaltung erzählen Geflüchtete, wie es ihnen mittlerweile geht – von der Hoffnung, wieder nach Hause zurückkehren zu können und finanziellen Sorgen genauso wie vom Gefühl, in Sicherheit zu sein.